Fachkräfte für Lebensmitteltechnik
Geschichte und Spionage – konspirative Wohnungen der Stasi
Kurz vor den Sommerferien fand im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialkunde-Unterrichts ein Blick in die Vergangenheit in Form eines Workshops bzw. wissenschaftlichen Vortrags statt. Die Schülerinnen und Schüler der DLT 42, also der Auszubildenden als Fachkraft für Lebensmitteltechnik, kamen so in den Genuss, den wissenschaftlichen Mitarbeiter Marian Herzog der Universität Erfurt dabei zu erleben, wie er seine Forschung zur Spionage und Überwachung in der DDR präsentierte. Die Organisation des Vortrags kam auch durch die Mitwirkung des Fördervereins der Emil-Fischer-Schule zustande.
Marian Herzog ist Mitarbeiter des Forschungsverbunds Diktaturerfahrung und Transformation und daher kann er seine Untersuchungen zu Erfahrungen mit der Diktatur der DDR, der Demokratischen Deutschen Republik, und auch den Blick auf die Veränderungsprozesse, die eine Diktatur aber auch deren Wiederabschaffung sowie deren Ablösung durch die westdeutsche Demokratie eindrücklich darstellen.
Hierbei stellt sich jetzt natürlich die Frage: was bedeutet konspirativ und warum ist das relevant. Im Englischen bedeutet das Wort conspiracy so viel wie Verschwörung, also geheime Kräfte, die womöglich mittels ihrer Macht die Fäden in der Entwicklung der Welt spinnen. Sicherlich gibt es bei Verschwörungstheorien auch Spinnerei, man denke nur an die Theorien zur Corona-Pandemie, die einige auf die Straße zu Demonstrationen trieb. Im Gegensatz dazu, musste man die staatlichen geheimen Aktivitäten in der DDR stets ernst nehmen. Denn sie hatten für viele Menschen relevante negative Konsequenzen für ihr Leben.
Das Ministerium für Staatssicherheit (im Volksmund als Stasi abgekürzt) wurde bereits vor dem Mauerbau 1961 eingesetzt, um Staatsfeinde ausfindig zu machen und ggfs. wieder auf Linie zu bringen. Im DDR-Staat, welcher als Arbeiter- und Bauernstaat galt, herrschte der Sozialismus, der von der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, als allumfassendes wirtschaftliches sowie politisches System eingerichtet wurde. Das hieß, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich als Einheit aus Arbeitern und Bauern verstanden, die sozial und solidarisch auf einer Stufe stehen. Daraus folgten Vorteile wie günstige Lebensmittelpreise, Arbeit für alle und umfassende Versorgung für die Belange der Bürger durch den Staat. Während es in der BRD, der Bundesrepublik Deutschland, also dem westlichen Teil Deutschlands, den privatwirtschaftlichen Kapitalismus und eine parlamentarische Demokratie gab, wurde der Alltag der DDR-Bürger viel umfassender durch staatliche Einrichtungen bestimmt.
Die DDR konnte mit dem Mauerbau den Anteil der DDR-Flüchtlinge gen Westen einschränken, dennoch gab es weiterhin Bestrebungen dem System, welches viele Nachteile mit sich brachte, zu entfliehen. Eine weniger starke Wirtschaft, Mangel an Gütern des alltäglichen Bedarfs, überhaupt fehlende Vielfalt, Zensur, eingeschränkte Reisefreiheit sowie aufgrund der Planwirtschaft Einschränkungen in der Berufswahl, waren nur einige davon.
Um solche Aktivitäten wie Fluchtpläne oder noch weitgehendere Umsturzversuche zu untersuchen und ggfs. zu vereiteln, nutzte die Staatssicherheit alle erdenklichen Methoden zur Überwachung. So wurden auch private Wohnungen durch Mitarbeiter der Stasi selbst angemietet, um diese als Beobachtungsstützpunkte sowie für Verhöre zu nutzen. Im Laufe der Zeit wurde diese Methode noch verfeinert. So wurden Privatpersonen von der Stasi angesprochen, damit diese ihre Wohnung freiwillig zur Verfügung stellten. Oftmals konnten so öffentliche Räume ausgespäht werden oder die Aktivitäten von Privatleuten genauer untersucht werden. Als Rechtfertigung galt hierfür der Schutz vor staatsfeindlichen Aktivitäten, jedoch artete diese Überwachung eher in Kontrolle bis hin zur gezielten Verfolgung aus.
Marian Herzog hat in Archiven nach Aufzeichnungen über konspirative Wohnungen und Inoffizielle Mitarbeiter (IM), die ihre Wohnungen für solche Zwecke bereitstellten, gesucht, Zeitzeugen interviewt und mit anderen Forschungseinrichtungen sowie Gedenkstätten zum Thema DDR zusammengearbeitet. Mittels seiner Erfahrungen und Untersuchungsergebnissen zeigte er den Schülerinnen und Schülern die Hintergründe zur Überwachung durch die Stasi aber auch deren Folgen und Anknüpfungspunkte zur heutigen Zeit auf.
Hier wurde deutlich, dass viele Schülerinnen und Schüler Überwachung nur indirekt durch privatwirtschaftliche Unternehmen wie Google, Meta oder Ähnliche kennen. Im Internet bzw. auf Social Media verzichtet man schnell aus Unwissenheit, Bequemlichkeit oder Unaufmerksamkeit auf Datenschutz, jedoch gibt es natürlich auch Cyber-Kriminalität. Nun ist dies aber kein Missbrauch von Daten bzw. Überwachung, die durch den Staat betrieben wird. Allerdings kann man sich fragen, was der Staat wiederum für den Schutz der Daten seiner Bürgerinnen und Bürger tut. In dieser Debatte lässt sich auch die Frage nach Zensur durch den Staat stellen, also ob der Staat gewisse Inhalte verbieten darf, die gegen die Grundsätze der politischen Ordnung unserer Demokratie verstoßen, bzw. als verfassungsfeindlich eingestuft werden.
Innerhalb der Diskussion des Themas Überwachung kam in der Klasse ein interessanter Punkt zur Sprache, so wurde über Erfahrungen mit dem Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr berichtet. Diese Organisation überprüft, ob Bundeswehrsoldaten Informationen über ihre militärischen Aktivitäten wissentlich oder auch unwissentlich an andere Personen weitergegeben haben. Auch diese Befragungen sind einerseits befremdlich, weil sie unangekündigt stattfinden und nach längst vergangenen Ereignissen fragen, andererseits sind diese Überwachungen standardisiert und Routine. Dennoch kann so deutlich werden, wie unangenehm Befragungen sein können, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass man nur seine von der Demokratie garantierten Rechte und Freiheiten auslebt. Insgesamt wurde in dieser Veranstaltung auch deutlich, wie Freiheit in der Gesellschaft organisiert wird und wie wertvoll unsere Freiheiten als Individuum in der modernen Gesellschaft sind und wie wichtig es ist für diese einzustehen.
Wir danken Marian Herzog für die interessanten Einblicke, die Hintergrundinformationen und für die Anschauungsmaterialien aus den Archiven. Des Weiteren gilt auch ein Dank an den Förderverein der Emil-Fischer-Schule für die Unterstützung bei der Organisation des Vortrags (Verein zur Förderung der Ausbildung an der Emil-Fischer-Schule e.V.).
Martin Zill
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